DEUTSCHER JOURNALISTEN-VERBAND NORD HAMBURG – SCHLESWIG-HOLSTEIN GEMEINSAM.MACHEN.

Pressemitteilungen

Reform des Urheberrechts

Zum zahnlosen Tiger mutiert

18.08.2016

Die Bundesregierung will das Urheberrecht reformieren. Ihr Gesetzentwurf wird gegenwärtig im Bundestag beraten. Die Bundesregierung behauptet, die Position der Urheber zu stärken. Das Gegenteil ist nach Einschätzung des Deutschen Journalisten-Verbandes (DJV) der Fall.

Der Verband ruft seine Mitglieder auf, selbst auf ihre Bundestagsabgeordneten zuzugehen und eine Unterstützung der Urheber einzufordern. Zudem sammelt die Initiative Urheberrecht online Unterschriften. Die Hamburger DJV-Vorsitzende Marina Friedt findet deutliche Worte: „Der Gesetzentwurf hilft den Urhebern nicht, sondern gefährdet sogar bereits bestehende Ansprüche. Die Urheberinnen sitzen meist nur am kurzen Hebel. Daher sind Politikerinnen und Politiker gefordert, wenn sie eine frei berichtende Presse wollen - und dazu gehören unternehmerisch autonome Journalistinnen und Journalisten - sich dafür einzusetzen, dass die Journalisten nicht endgültig zu Urhebern zweiter Klasse gemacht werden.“ Der DJV hat sich sowohl auf Bundes- und Landesebene Ländern intensiv für die Interessen der Urheber eingesetzt. Dazu zählen aktuell Briefe an die Regierungschefs und Gespräches mit den Landesregierungen und Bundestagsabgeordneten sowie dem Bundesjustizministerium. Anfang Juni haben Kreative im Rahmen der Aktion Augenhöhe vor dem Reichstag demonstriert. Parallel läuft einer Unterschriftenaktion der Initiative Urheberrecht. Die Signale aus der Politik sind aber nicht ermutigend. Zwar stützen Grüne und Linke die Position der Urheber. Das Kabinett jedoch hat sich gegen die Vorlage von Justizminister Heiko Maas auf den Entwurf festgelegt, über den jetzt der Bundestag entscheidet. Aus dem Hamburger Senat heißt es auf die Kritik des DJV, man müsse für einen angemessenen Ausgleich zwischen den Interessen der Urheber und der Verwerter sorgen. Hamburg hat im Bundesrat vier Änderungsanträge eingebracht, die aber  wichtige Urheber-Anliegen nicht aufnehmen – z.B. die Forderung nach verbindlicher Schlichtung und Gleichbehandlung der journalistischen Urheber . Was können Sie tun? In den jüngsten Gesprächen mit der Politik hat sich gezeigt, dass auch die betroffenen Journalisten selbst tätig werden müssen. Sprechen Sie mit ihrem Bundestagsabgeordneten und beteiligen Sie sich an der Unterschriftensammlung der Initiative Urheberrecht: urheber.info/erklaerung/unterzeichnen Der Hintergrund Der Gesetzgeber hatte 2002 das Urhebervertragsrecht zum einen das Recht auf ein angemessenes Honorar als gesetzlichen Anspruch geschaffen. Zum anderen eröffnete  die Reform Urheber- und Verwerterverbänden die Möglichkeit, durch die miteinander verhandelten Gemeinsamen Vergütungsregeln (GVR) diese Honorare zu definieren. Auch wenn dies rechtsdogmatisch ein großer Fortschritt für die Urheber war, hat sich die Situation der Kreativen, insbesondere auch der Journalisten nicht wie erhofft verbessert. Nach wie vor werden Vertragsbedingungen durch die Medienhäuser diktiert und häufig keine angemessenen Honorare gezahlt. Klagen Journalisten ihre Ansprüche ein, führt dies häufig zum Ende der Zusammenarbeit. „Wir haben erlebt, dass Journalisten, die Honorare einfordern, nicht mehr beschäftigt werden“, berichtet Rechtsanwältin Dr. Anja Westheuser, Justitiarin des DJV-Hamburg. Entsprechende Fälle melden auch die DJV-Landesverbände Bremen und Schleswig-Holstein. „Die freien Journalisten fühlen sich gegenüber den Verlagen machtlos“, sagt Bettina Neitzel, Geschäftsführerin des DJV Schleswig-Holstein. Auch das Instrument der Gemeinsamen Vergütungsregeln (GVR) – also die rechtlich verbindliche Definition des angemessenen Honorars - greift nicht in der erhofften Weise. Bisher ist es kaum zum Abschluss solcher GVR gekommen. Im journalistischen Bereich existieren GVR lediglich für Tageszeitungen. Die Verhandlungen mit den Zeitschriftenverlegern (VDZ) laufen seit etwa 14 Jahren ohne dass auch nur ein Papier vorliegt, über das die zuständigen Gremien entscheiden könnten. Es fehlt im Urheberrechtsgesetz (UrhG) an einer verbindlichen Schlichtung. Diese Defizite sieht auch die Bundesregierung in der Begründung ihres Gesetzesentwurfes und spricht von „gestörte(r) Vertragsparität“ zwischen Kreativen und Verwertern sowie von mangelhafter Beteiligung der Urheber an der Auswertung ihrer Werke durch die Verwerter. Was will die Bundesregierung? Dies sind die Kernpunkte des Gesetzentwurfs (Reg-E) der Bundesregierung:

1.     § 32 Abs. 2: Betonung des Grundsatzes einer angemessenen Vergütung

2.     § 32d: Auskunftsanspruch über die erfolgte Nutzung

3.     § 40a: Recht auf anderweitige Verwertung nach zehn Jahren bei ausschließlicher Rechteübertragung

4.     § 36b: Verbandsklagerecht

5.     § 36a: Straffung des Verfahrens zur GVR-Aufstellung

 

 

Kritik der Kreativen am Regierungsentwurf

 

Auskunftsanspruch, Recht auf anderweitige Verwertung, Unterlassungsanspruch, Verbandsklagerecht und Straffung des Schlichtungsverfahrens – warum reagieren die Kreativen dennoch mit Kritik? Aus Sicht des Sprechers der Initiative Urheberrecht, Prof. Dr. Gerhard Pfennig, gibt die Bundesregierung den Urhebern „Steine statt Brot“. Der DJV-Bundesvorsitzende, Prof. Dr. Frank Überall, spricht von einer „bis zur Unkenntlichkeit verwässerten Reform“. Im einzelnen:

Zu 1. Im § 32 Absatz 2 des Referentenentwurf (Ref-E) aus dem Bundesjustizministerium war noch vorgesehen, dass der Urheber im Falle  „mehrfacher Nutzungen desselben Werkes Anspruch auf jeweils gesonderte Vergütung hat.“ Dies entspricht auch der ständigen Rechtsprechung. Diese für die Bestimmung eines angemessenen Honorars  wichtige Regelung hat die Bundesregierung nun in ihrem Gesetzentwurf ersatzlos gestrichen. Die Gefahr: Die für die Urheber günstige Rechtssprechung könnte aufgegeben werden.

Zu 2. Der in § 32d Reg-E neu eingeführte Auskunfts- und Rechenschaftsanspruch wird für Journalisten nach Abs. 2 gar nicht wirksam. DJV-Bundesjustitiar, Rechtsanwalt Benno H. Pöppelmann: „Damit nimmt die Bundesregierung gerade Journalisten von dem Anspruch aus, den sie in ihrer Begründung als urheberfreundlich hervorhebt.

Zu 3. Denselben Ausschlusstatbestand sieht auch § 40a Absatz 3 Reg-E vor - mit der Folge, dass auch das Recht auf anderweitige Verwertung für Journalisten nicht gilt. Damit wird erstmals ein gesetzliches „Total-Buy-out“ ermöglicht.

Zu 4. Das Verbandsklagerecht für Urheberverbände im § 36b Reg-E greift zu kurz und motiviert zum Austritt einzelner Verlage aus den Verlegerverbänden. Ein wirksames Verbandsklagerecht muss branchenweit gelten.

Zu 5. Auch die im § 36a Reg-E angelegte Straffung des GVR-Schlichtungsverfahrens hilft nicht. Die Bundesregierung verzichtet – wie schon im Jahre 2002 - darauf, das Ergebnis einer Schlichtung als verbindlich auszugestalten.

 

Stefan Endter 

 aus: Nordspitze 3/16
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