DEUTSCHER JOURNALISTEN-VERBAND NORD HAMBURG – SCHLESWIG-HOLSTEIN GEMEINSAM.MACHEN.

Aderlass am Baumwall – haben Zeitschriften eine Zukunft?

Podiumsdiskussion auf Kampnagel

Die Zerschlagung von Gruner+Jahr trifft den Medienstandort Hamburg und damit viele Medienschaffende hart. So machten sich am 17. April Festangestellte, freie Journalist*innen sowie Studierende auf den Weg nach Kampnagel, um an einer Podiumsdiskussion über die Zukunft der Zeitschriften teilzunehmen. Fast bis auf den letzten Platz war der Veranstaltungsraum K1 in der Kulturfabrik gefüllt. Angesichts der Hiobsbotschaften vom Baumwall, im Februar hatte der neue Eigner RTL das Ende von 23 Zeitschriften und massiven Stellenabbau verkündet, ging es bei der vom Kulturforum Hamburg und dem DJV Nord gemeinsam organisierten Veranstaltung um die Zukunft der Zeitschriften.

In ihrer Einführung bezeichnete Gastgeberin Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast vom Kulturforum Hamburg Magazine als ein Genre, das sich durch nichts ersetzen ließe. Auf den massiven Auflagenschwund bei Zeitschriften ging der Geschäftsführer des DJV Nord, Stefan Endter, in seinem Impulsreferat ein. Er wies darauf hin, dass die fünf auflagenstärksten Zeitschriften in Deutschland TV-Magazine seien (erst auf Platz 6 folgt DER SPIEGEL) und gab zu bedenken, dass junge Menschen keine TV-Magazine mehr kauften. Er kam dann gleich zum Thema des Abends: Ohne Investition in den Journalismus gäbe es keine Zukunft. „Wenn der Springer-Vorstand 88,8 Millionen Euro an Boni auszahlen kann, ist das Geld für Investitionen offenbar vorhanden“, bemerkte Endter.

Auf dem Podium diskutierte unter der Moderation von Christoph Twickel (DIE ZEIT) die freie Autorin und Journalistin Verena Carl, die für sieben Zeitschriften bei Gruner+Jahr geschrieben und die Schockmeldung im HAMBURGER ABENDBLATT in einem Nachruf auf das Verlagshaus am Baumwall verarbeitet hat. Mit auf dem Podium waren Dr. Leif Kramp, Forscher und Dozent am Bremer Zentrum für Medien, Kommunikation und Information, sowie Professor Dr. Christian Stöcker, Autor und Experte für Digitale Kommunikation an der HAW Hamburg. Von Behördenseite war die Hamburger Staatsrätin der Behörde für Kultur und Medien, Jana Schiedek, auf dem Podium vertreten.

Rückblickend bemerkte Verena Carl, dass die Lust an Neuem bei G+J im Keim erstickt wurde. Professor Stöcker stellte bei G+J eine strategische Verachtung gegenüber dem Digitaljournalismus fest und beklagte die ewigen Strategiewechsel beim STERN, der digital nun so schlecht aufgestellt sei. „G+J war nicht agil“, so auch Dr. Leif Kramp, „im Journalismus klammert man sich oft an das, was anderswo funktioniert“. Dabei waren die Diskutanten sich einig, dass G+J junge Zielgruppen verloren hat, aber durchaus eine Zukunft hätte, wenn der Verlag die Journalistinnen und Journalisten neue Konzepte entwickeln ließe. Staatsrätin Schiedek sagte in Hinblick auf aktuelle Management-Buy-out-Verhandlungen, „für viele dieser Zeitschriften gibt es eine Zukunft“ und kündigte Förderprogramme für betroffene Autor*innen an.

(Text: Claudia Piuntek, Fotos: Florian Büh (www.gutes-foto.de))

Einige Aussagen auf dem Podium:

„Die Strategie, beide Finger in die Ohren zu stecken und zu hoffen, dass es bald vorbei ist, war symptomatisch bei G+J.“ Prof. Dr. Christian Stöcker, Autor und Experte für Digitale Kommunikation an der HAW

„Für betroffene Freie denken wir über Förderprogramme nach. Wir haben großes Interesse daran, die Menschen hier in Hamburg zu halten.“ Jana Schiedek, Staatsrätin der Behörde für Kultur und Medien

„Weniger der Verlust an Titeln, der Verlust an Personal ist schmerzhaft für die Zukunft des Journalismus.“ Dr. Leif Kramp, Forscher und Dozent am Bremer Zentrum für Medien, Kommunikation und Information

„Wir sollten es wie andere Industrien, z.B. die Automobilbranche machen, und die Journalistinnen und Journalisten einfach mal was Neues entwickeln lassen.“  Verena Carl, Autorin und Journalistin

Seit Wochen halten die beunruhigende Neuigkeiten aus dem Hause Gruner+Jahr/RTL die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf Trab - und damit auch den DJV Nord. So unterstützen unsere Justiziarinnen und Justiziare die Kolleginnen und Kollegen, organisierten eine Kämpferische Mittagspause sowie eine Demonstration vor dem Hamburger Rathaus und laden wöchentlich zur Zoom-Schalte "Freitags am Baumwall".  

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