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Meine Meinung

Stellen Sie sich vor, die Staatsanwaltschaft tut nichts

30.03.2022

Stefan Endter ist Geschäftsführer des DJV Hamburg (Foto: Christina Czybik)

Stellen Sie sich vor, jemand beschimpft Sie als „verficktes Nazi-Schwein“ und als „systemkonforme Hure“. Stellen Sie sich vor, jemand bedroht Sie als „Versagerpussy, die das Schlimmste verdient“ und „Verrecken Sie bitte, Spasti.“ Genau das ist nach einem Bericht des Redaktionsnetzwerkes Deutsch- land (RND) einem seiner Redakteure ge- schehen. Ein Beispiel für die Verrohung, die wir mittlerweile in unserer Gesellschaft be- obachten, die schon fast alltäglich ist – und die immer häufiger in Gewalt umschlägt. Auch und gerade gegenüber Journali- stinnen und Journalisten, Polizistinnen und Polizisten und Rettungskräften, aber auch Politikerinnen und Politikern. Wir alle hören dann wieder die Verweise auf die wehrhafte Demokratie und die ganze Härte des Rechts- staates, die die Täter spüren müssen. Man kann es nicht oft genug wiederholen: Diese Demokratie wird nur bestehen, wenn sie tatsächlich wehrhaft ist und wenn der Rechtsstaat seine Möglichkeiten nutzt. Und er hat Möglichkeiten – schauen Sie einmal in das Strafgesetzbuch und das Nebenstrafrecht. Aber: Wir brauchen eine Justiz, die – personell und mit Sachmitteln gut ausgestattet – ebenso gründlich wie schnell handeln kann – und will. Im Falle des RND-Kollegen wollte die zuständige Staatsanwaltschaft, so berichtet RND, das offensichtlich nicht: „Nach Prüfung des Sachverhalts kann ein öffentliches Interesse an der Strafverfolgung des Beschuldigten nicht angenommen werden, ... es bleibt Ihnen unbenommen, Privatklage gegen den Beschuldigten zu erheben, falls Sie sich Erfolg davon versprechen.“ Für diese Staatsanwaltschaft ist also die Bezeichnung „verficktes Nazi-Schwein“ keine wesentliche Kränkung der Ehre. Für diese Staatsanwaltschaft gleicht eine Bedrohung als „Versagerpussy, die das Schlimmste verdient“ einer Wirtshausstreitigkeit oder einem Hausklatsch. Wer so entscheidet, hat nichts verstanden – nicht einmal seine eigenen Vorschriften – das ist ein rechtsstaatlicher Offenbarungseid.

(Stefan Endter)

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