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Interview

„Das ist falsch und dagegen müssen wir uns wehren.“

05.04.2023

Eigentlich leitet Jens Maier (48) das Ressort Unterhaltung beim Stern. Nachdem bekannt wurde, dass RTL Deutschland – der Kölner Medienkonzern ist seit einem guten Jahr Eigentümer der G+J-Zeitschriften – in Hamburg 700 Stellen abbauen will, ist er rund um die Uhr als Mitarbeitervertreter im Einsatz. Der Betriebsratschef des Gruner+Jahr- Verlages in Hamburg ist seit Juni vorigen Jahres zusätzlich Konzernbetriebsrats- vorsitzender von RTL Deutschland. Im Interview mit der NORDSPITZE äußerte er sich kurz vor Redaktionsschluss Anfang März zu den aktuell noch laufenden Verhandlungen. 

Was war Dein erster Gedanke, als Du vom Kahlschlag bei Gruner+Jahr erfahren hast? 

Es fällt mir schwer, das mit Worten zu beschreiben. Ich arbeite seit 22 Jahren für Gruner+Jahr, deswegen war das ein sehr trauriger und emotionaler Tag. Nach dem ersten Schock war mir klar: Das ist falsch und dagegen müssen wir uns wehren.

23 Magazine werden nach jetzigem Stand eingestellt, etliche Titel verkauft und bei Gruner+Jahr in Hamburg 700 von 1900 festen Stellen gestrichen – ist dem Betriebsrat bekannt, wie viele Freie betroffen sind, die ja in großer Zahl für die Zeitschriften tätig sind und waren?

Bisher ist von der Unternehmensleitung kommuniziert worden, dass bis zu 700 Vollzeitstellen gestrichen oder übertragen werden sollen. Dies kann – mit Blick auf Teilzeitstellen – auch mehr Menschen betreffen. Dem Betriebsrat liegen bisher keine belastbaren Zahlen vor, in welchem Umfang Aufträge an freie Kolleginnen und Kollegen reduziert werden oder wegfallen. Auch dies ist ein soziales Problem und ein publizistischer Verlust.

Mit dem Entschluss, Titel wie Stern, Geo und Brigitte zu behalten, den Großteil des Zeitschriftengeschäftes aber zu zerschlagen, werden womöglich auch profitable Titel wie Geo Epoche eingestampft. Wie erklärt die Konzernleitung solche auch wirtschaftlich nicht nachvollziehbaren Entscheidungen eigentlich?

Zum Zeitpunkt dieses Interviews ist über die Zukunft von Geo Epoche noch nicht abschließend entschieden worden – gegenwärtig prüft die Konzernleitung, ob Geo Epoche möglicherweise doch fortgeführt werden kann. Wir hoffen sehr, dass diese Qualitätszeitschrift weiter publiziert wird. Das wäre ein gutes Signal.

Der Hamburger Betriebsrat führt gerade herausfordernde Verhandlungen. Findest Du als Betriebsratsvorsitzender überhaupt noch manchmal Zeit für Deine Arbeit in der Stern-Redaktion?

Nein, derzeit bin ich Vollzeitbetriebsrat und dafür freigestellt.

Die Verhandlungen sind im Gange – welche Ziele verfolgt der Betriebsrat für die Freien und Festangestellten?

Seinen Job zu verlieren, ist das Schrecklichste, was Menschen im Berufsleben passieren kann. Dem Betriebsrat ist es wichtig, so viele Arbeitsplätze wie möglich zu retten und zu einem sehr guten Paket für diejenigen zu kommen, die ihren Arbeitsplatz verlieren. Die Bedingungen müssen die unterschiedliche Bedürftigkeit abdecken und die soziale Verantwortung spiegeln, die RTL für die angekündigten Maßnahmen trägt.

Kannst Du eine ungefähre Prognose abgeben, wann mit einem Verhandlungsergebnis zu rechnen ist? 

Die Verhandlungen sind angesichts des Umfanges der Maßnahmen schwierig und langwierig. Ich wage keine Prognose.

Ist schon absehbar, welche Hilfen und Fördermaßnahmen es für Journalist*innen geben wird, die ihre feste Stelle bzw. ihren wichtigsten Auftraggeber verlieren? 

Persönlich halte ich eine Transfergesellschaft grundsätzlich für ein gutes Instrument für diejenigen, die ihren Arbeitsplatz verlieren und Schwierigkeiten haben werden, einen neuen Arbeitsplatz am Medienstandort Hamburg zu finden. Das wird – so fürchte ich – beispielsweise besonders bei Redakteurinnen und Redakteuren der Fall sein.

Als vor anderthalb Jahren bekannt wurde, dass RTL Gruner+Jahr übernimmt, war die Stimmung gespannt neugierig, sagte der frühere G+J-Betriebsratschef Frank Donovitz seinerzeit gegenüber der NORDSPITZE – heute ist von einer „fehlgeleiteten Strategie“ die Rede. Wie konnte es aus Deiner Sicht so weit kommen?

In Hamburg und in Köln arbeiten tolle Kolleginnen und Kollegen. Die angekündigte Zusammenführung von RTL und G+J – und damit eines Fernsehsenders und eines Verlags – war von Anfang an herausfordernd und hätte jedenfalls deutlich mehr Zeit gebraucht.

Die Zeitschriftenlandschaft wird durch die Zerschlagung ärmer – ist der Medienstandort Hamburg aus Deiner Sicht noch zu retten?

Hamburg ist nach wie vor einer der wichtigsten, wenn nicht der wichtigste Medienstandort in Deutschland – nun allerdings ein weiteres Mal erheblich geschwächt.

Wird im Laufe der aktuellen Verhandlungen auch über mögliche Zukunftsszenarien für die weiterhin existierenden Kernmarken und Haupttitel gesprochen? 

Natürlich will der Betriebsrat wissen, wie genau die Zukunft der Titel gestaltet und entwickelt werden soll. Der Arbeitgeber muss hier seinen Informationspflichten nachkommen.

Sind Dir Pläne betroffener Journalist*innen bekannt, einzelne Titel im Rahmen eines Management-Buy-outs zu übernehmen?

Die einstige G+J-Zeitschrift Emotion ist ja ein positives Beispiel für so eine erfolgreiche Übernahme.
Die Frage, ob es zu erfolgreichen Management-Buy-outs kommen könnte, kann ich heute nicht beantworten.

Die Fragen stellte Claudia Piuntek.

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